Maria Theresia führte die Tradition der Wiener Naturaliensammlung fort. In der ihr eigenen praxisbezogenen Denkweise überantwortete
sie aber, in Abstimmung mit ihrem Sohn und nunmehrigen Kaiser Joseph II., die ehemaligen Privatsammlungen dem Staat und unterstellte
alle kaiserlichen Sammlungen der Oberaufsicht des Oberstkämmerers. Die Öffentlichkeit, das Volk, sollte von den Mineralien,
die ja die Grundlage für die Industrieprodukte darstellten, Kenntnis erhalten. In gleicher Absicht gründete sie auch die erste
Berghochschule der Monarchie in Schemnitz!
Die Direktion der Naturaliensammlung verblieb vorerst bei Ludwig Balthasar Ritter von Baillou (1758-1802); erst 1797 wurde
diesem als 2. Direktor Andreas Stütz zur Seite gestellt. Zur Betreuung der ständig wachsenden Sammlung werden Baillou aber
Johann Baptist Megerle zunächst als unentgeltlicher Gehilfe und der Hofmaler Franz Joseph Wiedon, der die naturhistorischen
Gegenstände abbilden sollte, zugeteilt. Die Sammlungen waren nun (1766) zweimal in der Woche dem öffentlichen Besuch zugänglich.
Sie waren aber noch immer nach dem alten System von Chevalier de Baillou aufgestellt. Insbesondere bei den Mineralien dürfte
der Wunsch nach Besitz von mineralogisch ungewöhnlichen und seltenen, ja spektakulären Objekten gegenüber dem Interesse an
einer entsprechenden systematischen Ordnung des Mineralreiches die Oberhand behalten haben.
Die geringe wissenschaftliche Effizienz ihrer Sammlungen scheint Maria Theresia ein Dorn im Auge gewesen zu sein und so berief
sie 1776 Ignaz von Born, der sich als Mineraloge und Montanist bereits einen Namen gemacht hatte, vom Prager Münz- und Bergmeisteramt zur wissenschaftlichen
Betreuung der Naturaliensammlung nach Wien. Born bearbeitete zwar in vorbildlicher Weise die Conchylien-Sammlung und brachte
1778 ein reich bebildertes Verzeichnis derselben heraus, doch die mineralogischen Objekte wurden lediglich nach dem System
von Wallerius und Cronstedt in den Jahren 1778-1780 neu aufgestellt. Zur Abfassung eines bebilderten Verzeichnisses, wie es
für die Conchyliensammlung schon vorlag, reichten leider weder die Mittel noch offenbar die Zeit. Born wurde bei seinen Arbeiten
außer vom Kustos Megerle auch vom 1778 neu aufgenommenen Mineralogen und Gehilfen Karl Haidinger unterstützt; letzterer wurde
mit Wirkung vom 1. März 1780 zum Direktors-Adjunkten am Naturalien-Cabinet ernannt (FITZINGER, 1856).
Born, als bekannter Montanist und darüber hinaus auch Freimaurer in führender Position, hatte weitverzweigte Verbindungen
und so setzte unter seiner Betreuung auch ein steter Strom an mineralogischen Objekten in die Wiener Sammlung ein. Aber auch
in diesem Fall sind genauere Angaben dazu dem Inventar nicht zu entnehmen. Bekannt ist, dass eine Kollektion von sizilianischen
Marmoren, Jaspisen und Jaspachaten sowie von Lavaauswürflingen des Vesuvs als Geschenke der Herzogin von Calabritto, Petronilla
von Ligneville, nach Wien kam. Die Bergräthe Leithner in Idria, Ruprecht in Schemnitz, Müller von Reichenstein in Tirol und
später in Siebenbürgen, Ployer in Kärnten und andere schickten aus den ihnen zugänglichen Bergbauen Mineralien und Gesteine
nach Wien. Born veranlasste auch die Transferierung der zunächst in der k.k. Schatzkammer aufbewahrten Meteorite (Hraschina,
Tabor und Miskolcz) in die Naturaliensammlung.
Maria Theresia selbst kaufte kurz vor ihrem Tod die an mineralischen Bergbauprodukten reiche Kollektion des k.k. Hofsekretärs
Joseph von Dam um den Betrag von 10.000,- Gulden.
Joseph II. setzte die Sammlungstradition, die nun zunehmend eine wissenschaftliche Profilierung erhält, fort. So veranlasst
er, dass eine Auswahl von Mineralien aus der hinterlassenen Sammlung seines Onkels und Generalgouverneurs der Niederlande,
Herzog Karl von Lothringen, nach Wien gebracht wird und er selbst kauft anlässlich einer Reise in die Niederlande von Professor
de la Patrie in Hamburg eine Kollektion von Zeolithen und Chalcedonen (FITZINGER, 1856). Im Zuge der Auflösung einer Reihe
von Klöstern werden auch deren Sammlungen zum Teil in den Bestand der Naturaliensammlung übernommen.
Die erste Übersicht über die Neuaufstellung der Naturaliensammlung veröffentlicht HAIDINGER (1782).
Literatur