Schätze des Archivs
Einzelblattdruck: Die erste Giraffe in Wien
Der Wiener Maler, Kupferstecher und Lithograf Eduard Gurk (1801 Wien - 1841 Jerusalem) dokumentierte 1828 die Ankunft der ersten lebenden Giraffe in Mitteleuropa. Später davon angefertigte Lithografien fanden weite Verbreitung. Auffallend ist die abnorme Stellung der Hinterbeine, als deren Ursache zwei verheilte Schenkelhalsbrüche festgestellt wurden. Die Verletzungen dürften auf die Art ihres Transportes von Nubien nach Kairo zurückzuführen sein, bei dem sie auf den Rücken eines Dromedars gebunden worden war.
Der albanische Abenteurer und spätere türkische General Mehmed Ali, der sich 1811 selbst zum Pascha von Ägypten ausgerufen
hatte, suchte, nachdem er dem Sultan 1827 den Gehorsam aufgekündigt hatte, in Europa Unterstützung für seine Unabhängigkeitsbestrebungen.
Im Gebiet des heutigen Darfur (Kordofan), Sudan, ließ er Giraffen fangen. Je eine Giraffe sandte er 1827 nach London und nach
Paris, um sich die europäischen Königshäuser gewogen zu machen. Der österreichische General-Consul in Ägypten hatte ein Giraffenweibchen
ausgewählt in der Annahme, es würde die Gefangenschaft besser vertragen. Da das Tier aber bereits vor der Abreise in Alexandria
erkrankte, wurde ein Bulle aus Kairo geholt. Die Giraffe musste in Alexandria überwintern. Am 30. März 1828 wurde sie gemeinsam
mit zwei Kühen, einem Kalb und dem arabischen Wärter Ali Sciobary auf einer Kauffahrtei-Brigg eingeschifft. Das österreichische
Kriegsschiff „Artusa“ eskortierte die Brigg bis Venedig. Hier stieß der österreichische Wärter Josef Aman zu der Gruppe. Der
größte Teil der weiteren Reise wurde zu Fuß zurückgelegt. Am 6. August traf der Zug in Laxenburg ein, wo der Kaiser samt Hofstaat
die Giraffe besichtigte. Einen Tag später bezog der Giraffenbulle ein eigenes für ihn errichtetes Haus im Tiergarten Schönbrunn.
Das exotische Tier ließ in Wien eine wahre „Giraffenmanie“ ausbrechen: Die Wiener naschten kleine Giraffen aus Zuckerwerk
sowie Giraffengebäck und Giraffentorten. Stoffe für Kleider waren mit Giraffenmuster versehen. Giraffenmotive zierten Glückwunschkärtchen,
Hüte, Tabaksbeutel, Schmuck, Handschuhe, Teller, Tintenbehälter, etc.. Die Dame von Welt hatte Mühe, mit ihrer den Hörnchen
des Tieres nachgebildeten Frisur à la girafe eine Kutsche zu besteigen. Selbst der Duft „Esprit à la Giraffe“ wurde angeboten.
Kurz nach ihrer Ankunft fand in Penzing ein „GiraffenBall“ statt. Getanzt wurde der eigens dafür komponierte „Giraffengalopp“.
Am k.k. privilegierten Theater in der Leopoldstadt gelangte das von Adolf Bäuerle verfasste Stück „Die Giraffe in Wien, oder:
Alles à la Giraffe“ zur Aufführung. Trotz fürsorglicher Pflege starb die Giraffe jedoch nach zehn Monaten am 20. Juni 1829.